Jan Gerrit Jordens
Wageningen 1883 - Groningen 1962
Jan Gerrit Jordens wurde 1883 in Wageningen geboren. Nach einer Ausbildung an der Königlichen Akademie für Bildende Künste in Den Haag und der Reichsregelschule für Zeichenunterricht in Amsterdam wurde er 1907 als Zeichenlehrer an die Höhere Bürgerschule in Warffum berufen. Im darauffolgenden Jahr wurde er Leiter der dortigen Abendzeichenschule. 1916 zog er mit seiner Familie nach Groningen, wo er eine Stelle als Zeichenlehrer an der Höheren Bürgerschule bekam. Zwei Jahre später akzeptierte er eine Anstellung an der Städtischen Bürgerschule in Groningen. Inspiriert von den Grundgedanken der österreichischen Kunsterzieher Franz Čižek und Richard Rothe führte Jordens eine neue Unterrichtsmethode ein, an deren Basis der freie Ausdruck lag. In den 1920er-Jahren veröffentlichte er regelmäßig Schriften über seine Unterrichtsmethode. 1925 und 1930 erschienen drei Bände mit den Linolschnitten seiner Schüler.
Jordens und De Ploeg
Aufgrund seiner umfassenden kunstpädagogischen Arbeit hatte Jordens nur wenig Zeit für das freie Kunstschaffen. Trotzdem erlernte er unterschiedlichste Disziplinen und erfüllte eine wichtige Rolle in der Künstlergruppe De Ploeg, der er im Gründungsjahr 1918 beigetreten war. Nach einer Meinungsverschiedenheit über das Jurieren von Ausstellungen setzte er 1921 vorübergehend aus, wurde kurze Zeit später aber wieder Mitglied. 1924-1925, 1930-1932 und 1935-1941 war Jordens Vorstandsvorsitzender von De Ploeg. Während der internationalen Ausstellung von De Ploeg 1933 anlässlich des fünfzehnjährigen Bestehens leitete er Führungen mit Kunstbetrachtung. 1939 schrieb er den Eröffnungsbetrag über Hendrik Nicolaas Werkman in der Kroniek van Hedendaagsche Kunst en Kultuur.
Jordens zählte zu den wenigen Ploeg-Mitgliedern, die enge Kontakte zur Kunstszene im Westen der Niederlande pflegten. Zwischen 1906 und 1916 war er Mitglied der Amsterdamer Künstlergruppe „St. Lucas“ und ab 1916 der Künstlergruppe „De Onafhankelijken“. Mit ihnen sollte er bis weit in die 1920er-Jahre ausstellen.
Künstlerverwandtschaften
Jordens’ frühe Malerei zeigt Übereinstimmungen mit Henri Le Fauconnier, Piet van Wijngaerdt und weiteren holländischen Expressionisten, die er in seiner Zeit in Den Haag und Amsterdam kennengelernt hatte. Mit Jan Wiegers war er in den Anfangsjahren von De Ploeg der bedeutendste Vertreter der Groninger Moderne. Seine Bilder zeichnen sich durch warme Ocker-, Blau- und Brauntöne, durch scharfe, fast abstrakt reduzierte Formen und direkt auf die Bildebene platzierten Darstellungen aus. Beeinflusst vom 1921 von Jan Wiegers nach Groningen gelangten deutschen, verschwand seine dem Symbolismus verpflichtete Ästhetisierung, die insbesondere in seinen Grafiken vorherrschte. Seine Holzschnitte und Radierungen knüpften an den Expressionismus von Jan Wiegers, Jan Altink und Johan Dijkstra an, in seinen Gemälden allerdings blieb er seinen ursprünglichen Prinzipien bemerkenswert treu. Obwohl er mit verdünnter Ölfarbe und Bienenwachs experimentierte und sich vorübergehend für flächenartige Bildlösungen entschied, waren seine Werke hinsichtlich Tonalität und Expressivität weiterhin von der niederländischen und französischen Malerei geprägt.
Abstraktion
In den 1930er-Jahren, als sich die meisten Ploeg-Künstler wieder den moderaten Formen des Expressionismus und Impressionismus zuwandten, experimentierte Jordens mit den visuellen Möglichkeiten des französischen Kubismus. In jener Zeit löste er die dargestellten Gegenstände seiner Bilder in rhythmische, über die gesamte Bildfläche angeordnete Fragmente auf. Die kubistische Phase bildete den Auftakt für seine späteren abstrakten Kompositionen.
1945 erneuerte Jordens seine Ploeg-Mitgliedschaft, aber letztendlich verließ er die Gruppe 1950, um sich zeitgenössischen Künstlergruppen anzuschließen. Anfang der 1950er-Jahre gründete er mit Gleichgesinnten – darunter Jan van der Zee, Ekke Kleima und Abe Kuipers – das Künstlerkollektiv „Het Narrenschip“ und 1960 schloss er sich der kurz zuvor gegründeten Künstlergruppe „NU“ an, der hauptsächlich jüngere Künstler angehörten. Auch wenn viele ihn im Nachhinein als distanziert und schwer zugänglich charakterisierten, bedeutete seine Mitgliedschaft moralische Unterstützung für die jüngste Generation der Groninger Modernisten.
Schaffensprozess
1948, in einer Zeit, in der sich die zeitgenössische bildende Kunst radikal veränderte, erreichte Jordens das Rentenalter. Den freien Ausdruck, der in seinem Unterricht immer im Mittelpunkt stand, griff die junge Garde voll Überzeugung auf, um mit althergekommenen Werten zu brechen. Für Jordens, der sich fortan ganz seinem künstlerischen Schaffen widmen konnte, begann eine Zeit großer Produktivität und Kreativität. Zu den Höhepunkten seines Nachkriegsœuvres zählt die Reihe lyrisch abstrakter Aquarellimpressionen, die er von Fichtenwäldern und der Nordseeinsel Schiermonnikoog machte, eine Reihe mit Schablonendrucken sowie seine abstrakten Gemälde aus der Zeit zwischen 1956 und 1962.
In Jordens' Malerei wurde der Schaffensprozess – der Umgang mit Material, Form und Ordnung – wichtiger als das Endergebnis. Dabei reduzierte der Künstler aus der Realität abgeleitete Formen zu einzelnen Fragmenten, die durch seine Komposition völlig neue Beziehungen eingingen.
Obwohl in den Nachkriegsjahren hauptsächlich von den Malern der École de Paris inspiriert, behielten Jordens Arbeiten ihren authentischen Charakter. Bestachen die Arbeiten französischer Maler im Allgemeinen durch subtile Lyrik und dekorative Ästhetik, so waren seine Bilder überwiegend wild, eigenwillig und nachdrücklich von der Materie dominiert. Seine starke Auseinandersetzung mit dem Material führte schließlich dazu, dass er Farbe mit Kies und Sand mischte, Seile und Stoff in seine Bilder inkorporierte. Solcherlei Experimente kennzeichnen seinen anhaltenden Neuerungsdrang. Jan Jordens starb 1962 im Alter von 79 Jahren.
Ausstellungen
Im Laufe seines Lebens war Jordens auf vielen bedeutenden Gruppenausstellungen vertreten. Schon in seiner Zeit in Warffum nahm er zweimal an Ausstellungen im Stedelijk Museum in Amsterdam teil und Le Fauconnier lud ihn nach Paris zu einer Grafikschau ein. 1934 wurde sein grafisches Œuvre in Budapest mit einem Ehrendiplom ausgezeichnet. 1956 hatte er im Stedelijk Museum in Amsterdam eine Einzelausstellung mit Aquarellen und 1958 eröffnete im Groninger Museum eine umfangreiche Doppelschau von Jordens und Jan van der Zee.
Nach seinem Tod zeigte das Gemeentemuseum in Den Haag 1962/63 die Ausstellung J.G. Jordens 1893-1962 lino's, aquarellen. In der Groninger Synagoge war 1994 eine Retrospektive zu sehen. Auch die Parallelausstellungen Jan Jordens en tijdgenoten im Groninger Museum und Jan Jordens – Het vroege werk im Freilichtmuseum Het Hoogeland in Warffum (2006) ehrten den Künstler umfassend.
Literatur
Text: Han Steenbruggen
Alma Buruma en Han Steenbruggen (eds.), Jan Jordens, ‘Geen kunstenaar der voleinding, maar des wordens’, catalogus bij de tentoonstelling 18 februari 2006 - tot 18 september 2006. Groningen: Groninger Museum 2006. W. Jos de Gruyter, 'Jan Jordens: spar, waterverf 1949. Groninger Museum'. Groningen. Cultureel maandblad, 1959, nr. 1, p.115; W. Jos de Gruyter, 'Jan Jordens en Jan van der Zee', in: W. Jos de Gruyter (red.), Beeld en Interpretatie. Den Haag: Bert Bakker / Daamen N.V.1964, pp. 124-130. Cees Hofsteenge, De Ploeg 1918-1941. De hoogtijdagen. Groningen: Benjamin & Partners 1993. Cees Hofsteenge en Caspar Wechgelaer, Jan Gerrit Jordens, leven en werken. Groningen: Benjamin & Partners 1994